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Ich will nicht lange drumherum reden. Nein, ich habe mich nicht gefreut, als mich diese spannende Nachricht am Mittwoch erreicht hat. Gemeint ist selbstverständlich die Einführung des 10-Punkte-Tiebreaks im letzten Satz bei allen Grand-Slam-Turnieren. Heißt: Sowohl bei den Damen (3. Satz) als auch bei den Herren (5. Satz) fällt die Entscheidung ab den French Open im Mai in einem sogenannten Matchtiebreak, wenn es 6:6 steht. Genauso wie demnächst auch in Wimbledon, New York und Melbourne – wo es in den vergangenen Jahren ohnehin bereits so war.
Klar, ich bin Traditionalist und Anfang der 1990er erstmals mit dem Sport in Berührung gekommen. Ich verfolge Tennis also seit etwa 30 Jahren und habe mich bei Grand-Slam-Turnieren auch gerne mal mehr als sechs Stunden von der Außenwelt abgeschottet, um keinen Ballwechsel eines dieser legendären Marathonmatches zu verpassen. Ein Tennismatch ist für mich wie ein spannender Thriller. Mit vielen Wendungen, Höhepunkten, langatmigen Passagen und gegebenenfalls auch dramatischen, nie enden wollenden Schlussakkorden.
Wimbledon-Marathon brachte Stein ins Rollen
Schlussakkorde, die auch mal deutlich über das Ziel hinausschießen können. Erinnert sei an dieser Stelle an den Klassiker aller Marathonschlachten zwischen John Isner und Nicolas Mahut in Wimbledon, der mit 70:68 im fünften Satz für den völlig erschöpften Amerikaner zu Ende ging. Und hier wird bereits deutlich, warum eine bewusste Zuspitzung und zeitliche Eingrenzung extrem sinnvoll und vor allem: fairer ist. Isner verlor sein Zweitrundenmatch gegen den Niederländer Thiemo de Bakker damals sang- und klanglos mit 0:6, 3:6, 2:6. Warum? Weil er physisch und psychisch komplett leer war. Auch der Halbfinalsieg von Kevin Anderson (26:24 im Fünften) acht Jahre später an selber Stelle gegen Isner hatte ähnliche Folgen.
Die Einführung des Matchtiebreaks im Entscheidungssatz ist also fairer für den weiteren Turnierverlauf. Dass dies nun bei allen vier Majors geschieht, ist ebenfalls zu befürworten, da weder die Profis selbst noch die Fans so richtig durchgeschaut haben, wo denn nun welche Regeln gelten. Ausspielen? Tiebreak bis sieben? Tiebreak bis zehn? Nur noch absolute Experten und Tennisnerds hatten den Durchblick.
Und damit sind wir schon beim nächsten Punkt. Tennis ist eben nicht nur ein Sport für Nerds wie mich und viele andere Hardcore-Enthusiasten. Tennis muss sich stetig hinterfragen, reformieren, erneuern und den Bedürfnissen und Gewohnheiten der Gesellschaft und der Zuschauer anpassen. Zumindest kann sich der Sport nicht komplett davon abkapseln.
Tennis muss mit der Zeit gehen, um nicht den Anschluss zu verlieren
Der Altersdurchschnitt in den deutschen Tennisvereinen ist hoch, die meisten Mitglieder sind 40 Jahre oder älter. Damit der Sport auch in Zukunft noch eine so große Zugkraft hat, braucht es jedoch auch viele Kinder und Jugendliche, die sich für dieses großartige Spiel begeistern. Und das geht am einfachsten über Vorbilder, die man am TV oder vor dem heimischen Computer bestaunen kann. Allerdings hat nicht jeder sechs Stunden dafür Zeit. Klar, Tennis ist nicht Fußball und wird auch in Zukunft kaum in 90 oder 120 Minuten zu pressen sein.
Dennoch müssen die Spielzeiten etwas planbarer werden. Das gilt nicht nur für die übertragenden TV-Sender, sondern eben auch für Familien und Fans, die auch noch anderen Interessen nachgehen wollen, als sich vor dem Bildschirm einzubetonieren. Bei den Next Gen ATP Finals wird seit einigen Jahren mit Sätzen bis vier experimentiert. Die No-Ad-Regel gibt es dort ebenfalls, genauso wie auf der Doppeltour. Vor diesen Neuerungen können und sollten sich auch die Grand-Slam-Turniere nicht verschließen. Es muss nicht gleich so radikal sein, der Weg hin zu einer Komprimierung und Zuspitzung der Matches wurde allerdings längst eingeschlagen.
Guter Kompromiss: Nicht zu lang, spannend und trotzdem fair
Eine nicht repräsentative Umfrage im Kollegenkreis bestätigte diesen Eindruck. Tenor: Mehr Spannung, mehr Action, dennoch eine faire Entscheidung bis zehn, aber kein endloses Warten mehr, bis endlich klar ist, wer gewinnt.
Die Regeländerung ist also letztlich nicht nur im Sinne der Sportler, sondern auch vieler Fans. Die Traditionalisten müssen hier eben in den sauren Apfel beißen. Wer das große Ganze im Blick hat, kann diese Entscheidung eigentlich nicht schlecht finden. Auch wenn es irgendwo schade ist, dass diese besonderen Marathonmatches, bei denen zwei Spiele Vorsprung nötig waren, nun der Geschichte angehören.
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(Bild (c) IMAGO/ Shutterstock)
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